Wenslingen

Geschichte

Ausschnitte aus der Heimatkunde von Wenslingen.

Dieses 400-seitige Buch über Wenslingen von 1998 ist auf der Gemeindeverwaltung oder beim Verlag des Kantons Basel-Landschaft für
Fr. 20.00 erhältlich.

 

Altsteinzeit
In der Altsteinzeit, genauer gesagt in der letzten Eiszeit, bedeckten die Alpengletscher zwar grosse Teile des Mittellandes; aber der Tafeljura war weitgehend eisfrei und bot bereits Existenzmöglichkeiten für Tiere und z.T. für Menschen. Allerdings war die Möglichkeit, vor rund 25'000 Jahren in unserer Gegend einem Menschen zu begegnen, weit geringer als ... einem Bären!

 
Bärenloch (Bärenlochhöhle)
Das Bärenloch war vor den ersten Höhlenbärenfunden zu Beginn der Sechzigerjahre eine nur wenigen Insidern bekannte Höhle. Nach dem Bekanntwerden dieser spektakulären Funde erwachte das Bärenloch sozusagen aus seinem Dornröschenschlaf und trat über Nacht in den Brennpunkt des Interesses. 1962 fand man mehrere Zähne und Knochen von den schon längst ausgestorbenen Höhlenbären. Diese Funde, die übrigens kurz nach ihrem Auffinden durch mehrere Spezialisten bestätigt wurden, gaben der bisher namenlosen Höhle den treffenden Namen "Bärenloch".
Bäreloch

Im Altertum: An einer belebten Römerstrasse
Dass nach Caesars Sieg über die keltische Helvetier, 58 v. chr., das gesamte Gebiet der heutigen Schweiz unter römischen Einfluss kam, ist allgemein bekannt. Fundstellen auf dem Wenslinger Gemeindebann bezeugen nicht nur ein weiteres Mal römische Kultur im Baselbiet; sie belegen auch, dass die damaligen Häuser an einer wichtigen römischen Durchgangsstrasse standen; ganz im Gegensatz zum modernen Wenslingen, das weder an einer bedeutenden Verbindungsstrasse liegt noch eine eigene Bahnstation hat! Mit Sicherheit hiess die fast einen Kilometer nordöstlich des jetzigen Dorfes gelegene römische Siedlung auch noch nicht "Wenslingen".

 

Zweimal Mittelalter
Um 400 n. Ch. erreichten die sogenannte "alemannische Landnahme" vom Bodensee her auch den Jura. Wann aber haben sie sich auf unserer Hochebene niedergelassen? Die Namensforschung nimmt eher eine spätere Zeit an, evtl. etwa nach 800, denn vor der Endung "-ingen", die den Ort als Siedlung einer alemannischen Sippe bezeichnet, steht nur ein einsilbiger Name: "Wens"-! Da dieses "Wens" bis heute keinem auch sonst gebräuchlichen Personennamen zugeordnet werden konnte, ist die Diskussion um die Entstehung des Siedlungsnamens uferlos und hat die Phantasie mancher Leute zu den abenteuerlichen Spekulationen beflügelt.

 

Ödenburg ("s olt Schloss", Altschloss)
Es macht den Anschein, als ob hier ein mächtiges Geschlecht um die Mitte des 11. Jahrhunderts begonnen hat, eine Herrschaft aufzubauen und diese mit nicht weniger als drei grossen Burgen auszustatten. Dass alle drei Anlagen zur selben Herrschaft gehört haben dürften, belegt die Streuung der Güter, die als zur Ödenburg gehörig bezeichnet werden: Sie befinden sich alle in der näheren Umgebung der Burgen (Alt-) Homberg und (Alt-)Tierstein.

Ödenburg

Spätmittelalter (ca. 1300 - 1550)
Zwischen Kühen, Kriegen und Kornsäcken in der bewegten Welt des Spätmittelalters.

Noch im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit war man Naturkatastrophen, Krankheiten, Überfällen etc. ziemlich hilflos ausgeliefert, und die Grundherren vermochten, wie wir noch sehen werden, ihre ländliche Untertanen im Kriegsfall nur bedingt schützen. Aber gerade der Zwang zum Waffendienst war für die Aufgebotenen ein grosses und nicht immer unwillkommenes Abenteuer. Sicher hatten etwa vier Wenslinger, die 1476 mit 277 anderen aus der Basler Landschaft beim Zug in Grandson gegen Karl den Kühnen mitmachten, nach ihrer Rückkehr im Dorf viel zu erzählen. Auch brachte die Rivalität unter den regionalen spätmittelalterlichen Grundherren ziemlich viel Bewegung und Wechsel selbst in kleine Dörfer.

Am Beispiel Wenslingens können wir sehen, wie unterschiedlichste Herren kurz hintereinander oder viele Jahre lang auch nebeneinander Grundbesitzer und Rechte in der gleichen Gemeinde innehatten: Neben den Klöstern und ihren Rechtsvertretern versuchte der sich meist ans Haus Habsburg anlehnende Adel unter immer grösseren Schwierigkeiten seine Besitztümer gegen die aufstrebende freie Reichsstadt Basel zu halten. Nur zwei Jahre nachdem die Herren von Küttingen als habsburgerische Lehensträger der halben Ödenburg und zugehöriger Güter erwähnt sind, nämlich 1327, verkaufte der Ritter Ulrich, "Commenthur des Spitals zu Jerusalem" bei Rheinfelden einige "Gefälle" (d.h. Einkünfte, Abgaben) aus Wenslingen an Agnes, Königin von Ungarn. Die früh verwitwete Königin Agnes des Klosters Königsfelden bei Brugg. Den jährlichen Bodenzins aus diesen Rechten in einem Teil der Gemeinde Wenslingen hatten die betroffenen Bauern meist in Form von Korn und Hafer an den Meierhof des Klosters abzugeben. Dieser Meierhof lag in Erlinsbach, jenseits der Schafmatt. Noch gut hundert Jahre später wurden Cuni Senn, Hanns Meyer als Wenslinger Zinspflichtige des Klosters Königsfelden genannt, und im Berein von 1537/38, d.h. nach weiteren hundert Jahren, bestand der Zins der dannzumal vier Wenslinger Familien aus insgesamt je ca. sechseinhalb 150-Liter-Säcken Korn (Dinkel) und Hafer sowie aus einer Geldsumme von einem Pfund und 9 Schilling.

Im gleichen Zeitraum hatte der Zinsherr über die übrigen Dreiviertel der Wenslinger Untertanen gewechselt: Noch 1372 verzeichnete die Vogtei Farnsburg in Wenslingen 17 Zinspflichtige, fast so viele wie in Gelterkinden! Aber bereits 1446 - mitten in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem habsburgisch gesinnten Adel, der Stadt Basel und den Eidgenossen - musste der damalige Farnsburger Herr, Hans von Falkenstein, seine Wenslinger Anteile an einen Basler Bürger, Ulrich Schmitter, um 300 Gulden verpfänden. 1461 kaufte dann die Stadt Basel von Thomas von Falkenstein die Farnsburger Herrschaftsrechte, somit auch diejenigen über die ca. 10 zinspflichtigen Familien in Wenslingen. Die jährliche Abgaben der betroffenen Wenslinger an die falkensteinische bzw. baslerische Farnsburg bestanden aus 11 Säcken Korn und 8 Säcken Hafer zu je 150 Litern sowie aus 5 Schweinen, 6 jungen Schafböcken, 40 Hühnern, 340 Eiern und aus einer Geldsumme von 3 Pfund, 3 Batzen und 4 Schilling! Am Ende der 1520er-Jahre führte dann das inzwischen eidgenössisch gewordene Basel, wie auch Zürich oder Bern, in seinen Untertanengebieten die Reformation ein. So hatten Wenslinger Bauern wieder gleichzeitig zwei Herren zu zinsen: Den reformierten bernischen Rechtsnachfolgern der ehemaligen Abtei Königsfelden sowie den ebenfalls reformierten baslerischen Rechtsnachfolgern der ehemals adeligen Farnsburg.

Aus dem Geschilderten wird wohl klar, dass die diversen Herrschaftsansprüche und Neuerungen nicht immer nur auf friedlichem Wege durchgesetzt wurden, was auch die Untertanen in den Dörfern oft zu hart zu spüren bekamen. Dazu sei eine Episode aus dem besonders unruhigem Jahr 1448 zitiert, als Hans von Falkenstein unter anderem um seine verpfändeten Wenslinger Güter bangen musste: Der Basler Ulrich Schittler gebot den Wenslinger, nicht zu fliehen, er konnte sie nötigenfalls schon schirmen. Die Wenslinger entschieden sich trotzdem (auf Falkensteins Anraten) für die Flucht ins (habsburgische) Säckingen, wo sie drei Wochen lang blieben. Sofort kursierten Gerüchte, die die Ängste der Bauern vor möglichen Schädigungen an ihren verlassenen Gütern aufzeigen: Untertanen aus dem bereits baslerischen Homburgertal hätten ihnen ihr Vieh(!) und anderes genommen, und ihr Dorf sei verbrannt worden... Die Brandschatzung sei erfolgt, weil eine Frau aus Wenslingen die Homburger Untertanen als "kuegeschwyher" (Kuhficker) verschrieen habe.

Viehdiebstahl war, speziell in kreigerischen Zeiten, keine Seltenheit. So hatten z.B. am 24. April 1499, zur Zeit der Schwabenkriege, Österreich (habsburgisch) gesinnte Wittnauer ihren Nachbarn, den Oltingern und Wenslingern, das Grossvieh geraubt. Mit Unterstützung von Untertanen aus der Vogtei Homburg (!) nahmen die Wenslinger und Oltinger die Verfolgung auf und jagten den Wittnauern das Vieh wieder ab. Dieser Viehraub hatte ein "soelich grocz geschrey" augelöst, dass auch Bewohner des Städtchens Liestal in die Vogtei gestürmt waren.

Zwischen 1500 und 1700
Wir eilen durch die frühe Neuzeit: Seit 1501 ist Basel, und damit auch sein ländliches Untertanengebiet, eidgenössisch. Somit war es möglich, von Wenslingen aus zu Fuss schon in einer guten Stunde das "Ausland" zu erreichen: Hinter einer Nachbargemeinde, jenseits des Asps Rothenfluh, begann mit dem habsburgisch und katholisch gebliebenen Fricktal nämlich bereits "Vorderösterreich".

18./19. Jahrhundert
Von Fronherren, fremden Soldaten und Freiheitsbäumen

Wir kommen nun in die Zeit der politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen, die am Ende des 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts als Folge der Französischen Revolution auch unsere Gegend erfassten: Vielleicht wird ein rauchgesättigter "Schlosswind" (wie man den Nordwestwind nannte) oder ein geröteter Nachthimmel allen Dorfbewohnern anfangs 1798 die neue Zeit angekündigt haben: Die Farnsburg, das über 300-jährige Symbol der Basler Stadtherrschaft, war nach dem Abzug des letzten Vogts von Bauern der Umgebung "geräumt" und angezündet worden! Es gab offiziell keine "Hochwohlgeborenen" und keine "Leibeigenen" mehr, was natürlich noch lange nicht bedeutete, dass sich schlagartig alles geändert oder gar verbessert hätte. Zwar ermöglichte ein 1804 unter französischem Einfluss geschaffenes Gesetz auch den Wenslinger bald, sich von Bodenzins und Zehntenverpflichtung loszukaufen; trotzdem blieben durchs ganze 19. und weit ins 20. Jahrhundert auch in diesem Dorf grosse wirtschaftliche und soziale Unterschiede zwischen den einzelnen Familien bestehen.

Wenslingen im 2. Weltkrieg 1939/1940
In unserem Dorf waren ab Sonntag, 3 September 1939 der Stab des Territorial Füsilierbataillons 140 und die Territorial Füsilierkompanie I und II/140 einquartiert. Die Truppe war im Dorf verstreut untergebracht; die meisten Wehrmänner schliefen in Scheuneneinfahrten auf Stroh. Mehr als die Hälfte der Angehörigen dieses Landwehr-Bataillons hatten bereits im Ersten Weltkrieg 1914-18 Aktivdienst geleistet. Wegen akuten Wassermangels mussten der Bataillons-Stab und die Territorial Füsilierkompanie I/140 am 12. September nach Zeglingen ausquartiert werden. Die in Wenslingen verbleibende Kp II/140 mit ca. 140 Mann, unter dem Kommandanten Hauptmann Zimmerli von Rothrist, führte im Schichtbetrieb folgende Bau-Aufträge aus: Tanksperre in Tecknau mit den zwei Bunkern für Infanteriekanonen, eine Sperre (Sprengobjekt) an der Strasse Tecknau-Wenslingen - beim Felsvorsprung - mit je einer Maschinengewehr- und Infanteriekanonen-Stellung (eine davon in der "Tüfelschuchi"-Höhle) sowie nicht betonierte Behelfsstellungen an den auf die Hochebene führenden Strässchen von Rothenfluh (Raum Korn-Isleten) und Ormalingen (Raum Grossholz).

 

Die Artilleriekaverne im Buech
Doch nun zum Unikat des Feldbefestigungsbaus aus der Aktivdienstzeit 1939/40, der Artilleriekaverne Wenslingen. Diese liegt in der nördlichen Fluhebene im Buech, zwischen den letzten Häusern am Kohlweg und der Ödenburg. Das Werk ist von oben her nicht sichtbar, sein Eigang liegt am Fuss der Felswand auf dem Gebiet der Gemeinde Tecknau, gehört geographisch aber zur Gemeinde Wenslingen. Es existieren auch Dienstbarkeitsverträge mit beiden Gemeinden. Die Anlage umfasst drei Geschützstände mit Schussrichtung Norden für 7.5 cm Feldkanonen (Reichweite bis 11.8 km, d.h. in den Raum Zeiningen-Zuzgen), einen Geschütz-Einfahrtstollen, der nach Bezug mit einem Eisentor verschlossen wurde, einen grossen Depotraum für Munition und Mannschaft und einen Mannschafts-Zugangstollen mit Panzertüren und davor liegendem Felsunterstand für den Wachtposten. Das in die Felswand gut eingefügte Werk ist von der Strasse bzw. dem Gegenhang her praktisch nicht auszumachen. Die Anlage war in der Armeestellung NORD einzig in ihrer Art, während des Aktivdienstes jedoch nie einem Artillerieverband als Einsatzstellung fest zugewiesen.

An jenem schicksalhaften 10. Mai 1940, als Hitlerdeutschland die Benelux-Staaten überfiel und seinen Blitzkrieg gegen Frankreich entfesselte, war die Kaverne noch nicht einsatzbereit. Alle Artilleriebatterien der 4. Division lagen feuerbereit in ihren fertiggestellten betonierten Geschützstellungen. Ein gütiges Schicksal bewahrte die Schweiz vor dem Einbruch der deutschen Wehrmacht mit ihren neuen Panzerdivisionen, welche die gut gerüstete Armee Frankreichs innert 45 Tagen niederrang und zur Kapitulation zwang.

 

Artillerie

 

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